Kolumne - Sommerloch

Darf der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Matthias Miersch Äußerungen katholischer Bischöfe als unchristlich bezeichnen? Ich finde: Ja, darf er. Vielleicht hätte er noch etwas genauer sagen sollen: Die unerträgliche Diffamierungskampagne gegen Frau Dr. Brosius-Gersdorf als Kandidation für das Bundesverfassungsgericht entspricht nicht dem jüdisch-christlichen Grundverständnis. Sprich: dem Achten Gebot der Bibel: Du sollst nicht falsch Zeugnis Reden wider deinen Nächsten!
Wenn schon Bibel, dann dies gleich noch dazu:: Darf man, trotz „Staatsräson“ sagen, dass es zu kurz gegriffen ist, die militärische Gewalt Iraels allein mit dem Recht auf Selbstverteidigung gegen Terrorismus und andauernde Bedrohung durch seine Nachbarn zu begründen? Und darf das zielte, strategische Vorgehen israelischen Militärs gegen die Zivilbevölkerung in Gaza als eine notwendige Verteidigungsmaßnahme gerechtfertigt werden? Nein, darf es nicht, finde ich.
Der Tod von vielen Tausend Menschen in Gaza ist kein Kollateralschaden, weil das militärische Ziel eigentlich Hamasführern und Terroristen gilt. Die Zerstörung von mehreren hundert Moscheen in Gaza und aktuell die teilweise Zerstörung einer katholischen Kirche dort ist ein Angriff auf heilige Stätten, obwohl Nethanyahu und seine Regierung behaupten, dass Israel „niemals“ Zivilisten und heilige Stätten angreifen würde. Frech behauptet!
Darf man, trotz „Staatsräson“ sagen, dass die Siedlungspolitik der jetzigen und der vorangegangenen israelischen Regierungen völkerrechtswidrig und Unrecht gegen die einheimische Bevölkerung ist? Ich finde: Ja, man darf. Man muss sogar! Denn differenzierte politische Analysen sollten nicht durch Sprachverbote zugekleistert werden.
Kriege und Konflikte in der Welt machen keine Sommerpause. Global tätige Medien auch nicht. Rund um die Uhr versorgen sie uns mit aktuellen Nachrichten – ob wir wollen oder nicht. Manche sagen: die einzige Erholung ist der Fußball. Wer hätte das vor noch zwanzig Jahren gedacht: Frauen können Fußball spielen und Europaspiele haben Einschaltquoten wie beim Männerfußball!
Kaum zu glauben, aber wahr!
Kaum zu glauben, wie Teile der CDU/CSU und insbesondere ihr Fraktionsvorsitzender sich selbst ins Knie schießen mit dem „Richterskandal“. Die SPD muss da gar nichts machen. Sie sollte natürlich an der Wahl ihrer Kandidatin festhalten. Klar. Aber ihre Kandidatin sollte vielleicht besser ihre Kandidatur zurückziehen. Aus Gründen, die sie selbst genannt hat. Es geht nicht nur darum, sich gegen individuelle Rufschädigung zu wehren, sondern Schaden fernzuhalten von einer der tragenden Säulen unseres demokratischen Rechtsstaates, dem Bundesverfassungsgericht.
In der jüdischen Bibel, der Thora und den Prophetenbüchern, die auch Teil der christlichen Bibel sind, ist das Thema Recht und Gerechtigkeit gut bekannt. Dort heißt es, „Gerechtigkeit erhöht ein Volk“. Das gilt auch heute. Und auch bei uns. Ohne unabhängige Richterinnen und Richter, die nur dem durch die Verfassung verbrieften Recht und ihrem Gewissen verpflichtet sind gäbe es keinen Frieden im Land. Wer in Kauf nimmt, dass an dieser Stelle Schaden angerichtet wird, gefährdet unseren Rechtsstaat. Mitten im Sommerloch.
Kurt Jürgen Schmidt
